Nachruf auf
Herrn Professor Dr. Herrmann Gutheil
Erlangen
Am 5. 1. 2010 verstarb Herr Professor Dr. Gutheil im Alter von 87 Jahren.
Mit ihm verlieren wir einen hochverdienten Pionier der deutschen Kinderkardiologie, der 1957 die Erlanger Kinderkardiologie gründete. 30 Jahre lang führte er diese in ganz Nordbayern geschätzte Abteilung. Gerade bei dem mühseligen und sicher auch zuweilen frustrierenden Start, war es für ihn sicher eine gewisse Genugtuung, dass ihn unsere Fachgesellschaft 1983 – 85 zu ihrem Vorsitzenden wählte.
1958 führte er in Erlangen – und damit als einer der Ersten in Deutschland – die erste Herzkatheteruntersuchung bei einem Kind durch. Das ihm attachierte Personal war völlig unerfahren, die Ausrüstung mehr als bescheiden. Prof. Gutheil hatte wenigstens in London und in Bern einige HKU mitgemacht. Die Röntgenstrahlen waren nicht nur auf das zu untersuchende Herz gerichtet, sondern gelangten durch eine wenig sinnvolle Optik auch auf das Gesicht des Untersuchers. Nur die Kunst eines Kölner Dermatologen verhinderte Schlimmeres und entfernte das so entstandene Basaliom. Wir haben Prof. Gutheil danach immer bewundert, dass er trotz dieser üblen Erfahrung sich nicht scheute, sich bis zum Schluss seiner Dienstzeit im HK – Labor einer damals noch erheblichen Röntgenbestrahlung immer wieder auszusetzen.
Die Kinderkardiologie war damals noch kein sehr attraktives Beschäftigungsfeld. Die Ausrüstung steckte in den Kinderschuhen, das Echo gab es noch lange nicht und die Operationsergebnisse waren mit den heutigen nicht zu vergleichen. So erwarb Professor Gutheil in der Elektrokardiographie eine wahre Meisterschaft, die ihn weithin bekannt machte.
Neben dem Pioniergeist entwickelte Herr Prof. Gutheil eine besondere Gabe als akademischer Lehrer seiner Studenten, als Lehrer in seinem Unterricht vor vielen begeisterten Schwesternschülerinnen, als Ausbilder vieler Assistenten und vor allem für die große Zahl von Kinderärzten, die sich mit seinem 1971 erstmals veröffentlichten EKG – Buch die EKG – Befundung beibrachten. Es spricht für die Qualität des jetzt einzigen deutschen Buches über die Elektrokardiographie des Kindes- und Jugendalters, dass es nach 38 Jahren in der 6. Auflage lebendiger denn je ist. Das gleiche gilt für den 1970 von ihm begründeten jährlichen 2 – tägigen EKG – Kurs, der sich in ganz Deutschland großer Beliebtheit erfreute. Sein 1982 erschienenes Buch über Herzrhythmusstörungen im Kindesalter war in Deutschland einige Jahre lang das einzige zu diesem Thema.
Die schönen Erfolge als Pionier, als geschätzter Lehrer und Autor, und als sorg-
fältiger und gewissenhafter Arzt erfuhren nur einmal einen herben Dämpfer, als Prof.
Gutheil seine Begeisterung für den 1.FCN auf eine Fußballmannschaft der Kinder –
Klinik zu übertragen suchte. Trotz seiner kundigen Tätigkeit als unser Coach verlor
die pädiatrische Dilettantentruppe gegen die Frauenklinik 0:6. Großmütig verzieh
er uns das etwas einseitige Spiel.
Großzügigkeit und echte Kollegialität bewies Prof. Gutheil bei der Verteilung der
HK -Untersuchungen in seiner Abteilung. Diese attraktivste Tätigkeit in der Kinder-
kardiologie war naturgemäß bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ganz beson-
ders beliebt. Die Untersuchungen wurden nach zu erwartender Schwierigkeit, nach
dem jeweiligen Ausbildungsstand gleichmäßig und vollkommen gerecht verteilt.
Er gab uns das Gefühl, nicht nur unser Chef zu sein sondern auch einfach Mitglied unseres gemeinsamen Teams, in dem eine in der Gesamtklinik zuweilen beneidete Harmonie herrschte.
Persönlich verdanke ich Pof. Gutheil eine ganz wesentliche Förderung. Er ermöglichte
mir die Habilitation und ertrug den Termindruck im Gegensatz zu mir mit geradezu stoischer Ruhe. Mein Aufenthalt in London war für ihn und die Abteilung eine erhebliche Belastung. Mein Hang zum chaotischen war für ihn als Vertreter von Pünktlichkeit, von Ordnung bis zur Akribie und von bedächtigem Abwägen sicher öfters eine Zumutung. Trotz aller Gegensätze gelang es ihm, das schöne Betriebsklima der Kardiologie zu erhalten. Auch dafür werde ich ihm immer dankbar sein Er hat etwas ganz besonders Wertvolles erreicht, dass man gut von ihm spricht.
Prof. Dr. H. Singer, Marloffstein